Warum kann niemand allergisch gegen Jod sein
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Matthew Messer

Matthew Messer

Chefredakteur

Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass viele Menschen allergisch auf Jod reagieren. Dies ist jedoch unmöglich: Jod ist ein essentielles Spurenelement, eine "Jodallergie" wäre daher mit dem Leben unvereinbar. Dieser Irrglaube ist besonders schädlich, da er zu ungerechtfertigten Verboten von gesunden Lebensmitteln und notwendigen Therapien sowie zum unnötigen Einsatz von Medikamenten führen kann. Bei einer sog. Jodallergie handelt es sich in Wirklichkeit um eine unerwünschte Reaktion auf jodhaltige Kontrastmittel oder andere Inhaltsstoffe, die aber nicht durch den Jodgehalt verursacht wird und oft nicht einmal unbedingt eine Allergie ist.

Warum kann niemand allergisch auf Jod reagieren?

Jod ist ein essenzielles Spurenelement, das für das reibungslose Funktionieren der Schilddrüse, die Entwicklung des Gehirns und des Nervensystems, für die Immunität und die Gesundheit der weiblichen Fortpflanzungsorgane sowie der Prostata unerlässlich ist. In unserer kurzen Zusammenfassung haben wir ausführlich über seine Wirkungen berichtet und erläutert, warum ein gesundes Leben ohne Jod nicht denkbar ist.(1)

Woher kommt dieser Irrglaube?

Bestimmte Wirkstoffe, die auch das Jodatom enthalten, können bei empfindlichen Personen tatsächlich negative Reaktionen hervorrufen. Schuld daran ist jedoch nicht das Jod, sondern die verschiedenen spezifischen Wirkungen dieser komplexen Moleküle.(2,3,4,5) So wie bei der Glutenempfindlichkeit (Zöliakie) nicht das Sauerstoffatom für die allergene Wirkung verantwortlich ist (obwohl es im Glutenprotein vorkommt), so ist es auch beim Jod.

In Anbetracht der Fakten klingt die Theorie der Jodallergie bereits komisch, dennoch verbreiten viele Mediziner diesen Irrglauben bis heute.(6,8) Der Grund für dieses Missverständnis liegt wahrscheinlich darin, dass Jod auch in den Namen von jodhaltigen Kontrastmitteln und Desinfektionsmitteln vorkommt, und bei negativen Reaktionen wird es sofort dafür verantwortlich gemacht.

Bei autonomen hormonproduzierenden Geweben in der Schilddrüse (z. B. Hitzewallungen) kann anorganisches Jod selbst unerwünschte Reaktionen hervorrufen (Schilddrüsenüberfunktion), aber auch hier handelt es sich nicht um eine Allergie, sondern um ein glücklicherweise recht seltenes organisches Problem.

Wie häufig treten die als "Jodallergie" bezeichneten unerwünschten Reaktionen auf?  

Jährlich werden mehr als 100 Millionen Eingriffe mit jodhaltigen Kontrastmitteln durchgeführt, daher ist es ratsam, sich der Risiken bewusst zu sein.(4)

In einer 2010 veröffentlichten Zusammenfassung wurden die Risiken der Nebenwirkungen auf jodhaltige Kontrastmittel ausführlich beschrieben.(3) Es ist wichtig zu betonen, dass es sich bei den folgenden Reaktionen nicht unbedingt um allergische Reaktionen handelt.

  • Die Häufigkeit der Nebenwirkungen hing hauptsächlich von dem verwendeten Kontrastmittel, dem Schweregrad der Reaktion und von früheren ähnlichen negativen Reaktionen ab und lag im Durchschnitt zwischen 0,2 und 17 %. Glücklicherweise waren die meisten von ihnen nicht schwerwiegend (z. B. vermehrtes Schwitzen), aber es gab auch bleibende Schäden.
  • Bei denjenigen, die früher schon einmal eine unerwünschte Reaktion auf ein Kontrastmittel erlebt hatten, stieg das Risiko für leichte Reaktionen auf 7-17 %, aber die Rate der schweren Symptome blieb unverändert.
  • Wirklich schlimme Reaktionen, z. B. akute Nierenschäden, traten nur bei 0,02-0,5 % auf, während der Tod nur bei 0,0006-0,006 % eintrat; und keine dieser Reaktionen stand in Zusammenhang mit einer "Jodallergie", oder einer Allergie gegen Meeresfrüchte oder früheren Kontrastmittelreaktionen.  
  • Im Falle von Povidon-Jod, das in den beliebten Desinfektionsmitteln verwendet wird, bedeutet ebenfalls nicht das Jod das Problem, sondern das Trägermaterial, das ein organisches Polymer ist.

Und die Meeresfrüchte?

Eine negative Konsequenz des Irrglaubens besteht darin, dass Patienten häufig auch auf Meeresfrüchte verzichten müssen, wegen deren Jodgehalts oder vermeintlichen allergenen Wirkung. Genau im Gegenteil haben gerade die Patienten, die auf Meeresfrüchte allergisch sind, Angst vor allem, was Jod enthält.(3,4,5,7)

Die wichtigsten Allergene in Muscheln sind die sogenannten Tropomyosine, die ebenfalls nichts mit Jod zu tun haben. Tropomyosine sind kreuzreaktive Allergene mit Schalen und Weichtieren. Das Risiko schwerer allergischer Reaktionen auf Kontrastmittel kann bei Personen, die gegen bestimmte Nahrungsmittel allergisch sind, etwas höher sein, doch ist dies bei allen Hauptallergenen ungefähr gleich.(2)

Unnötige Medikamente

Ebenfalls unsinnig und manchmal auch schädlich ist die Praxis, dass häufig Steroide und andere Medikamente vor dem Einsatz von Kontrastmitteln gegeben werden, um eine vermeintliche allergische Reaktion auf zu vermeiden.(3)

Diese Medikamente sind nicht harmlos, da sie selbst allergische Reaktionen oder andere negative Nebenwirkungen hervorrufen können, und es gibt keine Beweise für ihre Wirksamkeit. In Studien haben sie die unerwünschten Reaktionen auf Kontrastmittel gar nicht oder nur minimal verringert.(3)

In einer Studie aus dem Jahr 2015 wurde berichtet, dass die Verbreitung dieses Irrglaubens durch angemessene Aufklärung minimiert werden könnte, ebenso wie seine oft schädliche Anwendung.(6)

Zusammenfassung

Eine Jodallergie gibt es nicht. Hoffentlich wird dieser Begriff in Zukunft immer seltener verwendet, da er völlig unbegründet ist und die Menschen vor diesem ansonsten wichtigen Spurenelement nur abschreckt.

Darüber hinaus können Patienten fälschlicherweise von notwendigen Therapien ausgeschlossen werden, müssen auf gesunde Lebensmitteln verzichten und ihre vermeintlichen Allergien werden sinnlos mit potenziell schädlichen Medikamenten behandelt.
 

  1. https://vitaverzum.hu/hirek/12/roviden-es-erthetoen-a-jodrol
  2. Dewachter P, Mouton-Faivre C. Allergie aux médicaments et aliments iodés : la séquence allergénique n'est pas l'iode [Allergy to iodinated drugs and to foods rich in iodine: Iodine is not the allergenic determinant]. Presse Med. 2015 Nov;44(11):1136-45. French. doi: 10.1016/j.lpm.2014.12.008. Epub 2015 Sep 19. PMID: 26387623.
  3. Schabelman E, Witting M. The relationship of radiocontrast, iodine, and seafood allergies: a medical myth exposed. J Emerg Med. 2010 Nov;39(5):701-7. doi: 10.1016/j.jemermed.2009.10.014. Epub 2010 Jan 4. PMID: 20045605.
  4. Wulf NR, Schmitz J, Choi A, Kapusnik-Uner J. Iodine allergy: Common misperceptions. Am J Health Syst Pharm. 2021 Apr 22;78(9):781-793. doi: 10.1093/ajhp/zxab033. PMID: 33547463; PMCID: PMC7929401.
  5. Böhm I, Morelli J, Nairz K, Silva Hasembank Keller P, Heverhagen JT. Myths and misconceptions concerning contrast media-induced anaphylaxis: a narrative review. Postgrad Med. 2017 Mar;129(2):259-266. doi: 10.1080/00325481.2017.1282296. Epub 2017 Jan 25. PMID: 28085538.
  6. Westermann-Clark E, Pepper AN, Talreja N, Lockey RF. Debunking myths about "allergy" to radiocontrast media in an academic institution. Postgrad Med. 2015 Apr;127(3):295-300. doi: 10.1080/00325481.2015.1012918. Epub 2015 Mar 5. PMID: 25740573.
  7. Huang SW. Seafood and iodine: an analysis of a medical myth. Allergy Asthma Proc. 2005 Nov-Dec;26(6):468-9. PMID: 16541971.
  8. Bruen R, Stirling A, Ryan M, Sheehan M, MacMahon P. Shelling the myth: allergies to Iodine containing substances and risk of reaction to Iodinated contrast media. Emerg Radiol. 2022 Feb;29(1):67-73. doi: 10.1007/s10140-021-01989-0. Epub 2021 Oct 5. PMID: 3460967
  9. https://www.jod.hu/allergia

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